Ketaminwirkung ist hormonabhängig

Special K im Tierversuch

Pharmazeutisches Ketamin. Foto: MB

Jeder Mensch reagiert etwas unterschiedlich auf psychoaktive Substanzen. Während sich die einen beispielsweise mit Hilfe von Cannabis entspannen, erfahren andere eher Unruhe und Paranoia. Schon lange stellen sich deshalb Psychonauten und Wissenschaftler die Frage: Woher stammen diese individuellen Unterschiede? Sind sie zufällig verteilt oder gibt es Regelmäßigkeiten, etwa zwischen Geschlechtern oder Altersgruppen?

Genau diese Fragestellung wurde nun von einem Forschungsteam um Prof. Christine Denny aus New York für die dissoziative Substanz (R,S)-Ketamin untersucht. Dieses erst 2019 in den USA und in der EU zur Behandlung von schweren Depressionen zugelassene Mittel zeigt bekanntermaßen leicht unterschiedliche Wirkungen bei Männern und Frauen. Um diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen, unternahm die Forschergruppe nun Tierversuche an Mäusen.

Mit einer Reihe von Stressexperimenten, in denen die Tiere etwa an einer bestimmten Stelle ihres Käfigs Elektroschocks erfuhren und damit lernten, diese Ecken zu vermeiden, untersuchten die Forscher die stress- und angstreduzierende Wirkung des Ketamins. Dabei zeigte sich dessen Wirkung sehr deutlich: Die mit Ketamin behandelten Tiere zeigten im Schnitt deutlich geringere Anzeichen von Stress oder Angst. Doch auch eine zusätzliche Beobachtung zeigte sich: Die weiblichen Tiere reagierten deutlich sensibler auf die Substanz und brauchten im Schnitt nur ein Drittel der Dosis der männlichen Tiere, um dessen Effekte zu spüren. Von diesem doch sehr deutlichen Befund überrascht, führten die Wissenschaftler ein weiteres Experiment durch. Sie überprüften, ob die Unterschiede mit den weiblichen Hormonen Östrogen und Progesteron zusammenhängen könnten. Dazu entfernten sie operativ die Eierstöcke einiger weiblicher Mäuse, so dass diese deutlich weniger weibliche Hormone bildeten. Mit diesen Mäusen wiederholten sie die Stresstests.

Die Experimente zeigten eindeutig, dass die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Mäusen ohne Eierstöcke verschwanden. Die Hormone schienen also eine entscheidende Rolle für die Ketaminwirkung zu spielen. Um diese These zu überprüfen, stellten die Forscher nun in den operierten weiblichen Mäusen die Hormonspiegel des Östrogens und des Progesterons künstlich wieder her. Bei einer weiteren Wiederholung der Experimente zeigte sich nun wieder ein anderes Bild. Die weiblichen Mäuse mit wiederhergestellten Hormonspiegeln waren wieder deutlich sensibler für die Ketaminwirkung als die männliche Vergleichsgruppe.

Die Autoren der Studie schlussfolgern hieraus, dass die weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron eine wichtige Wechselwirkung mit Ketamin aufweisen und für die deutlichen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Mäusen verantwortlich sind. Wie bei allen Tierversuchen, können auch hier Vergleiche zum Menschen nur sehr vorsichtig getroffen werden. Bereits bekannt sind statistisch geschlechterspezifische Unterschiede in der Wirkung von Antidepressiva und auch MDMA (Lucys berichtete). Für Konsumenten aller Art bleibt festzuhalten, dass alle Substanzen grundsätzlich individuell dosiert werden müssen, um positive Effekte zu erfahren. Dosisvergleiche zwischen Menschen sagen nicht viel über die Intensität der erlebten Erfahrungen aus.

Quelle: Chen, B; Luna, V; LaGamma, C; Xu, Xiaoming, Deng, S; Suckow, R; Cooper, T; Shah, A; Brachman, Rebecca; Mendez-Davis, I; David, D; Gardier, A, Landry, D; Denny, C: “Sex-specific neurobiological actions of prophylactic (R,S)-ketamine, (2 R, 6 R)-hydroxynorketamine, and (2 S, 6 S)-hydroxynorketamine”. Neuropsychopharmacology, 1-13, May 2020. Doi: https://doi.org/10.1038/s41386-020-0714-z

Linus Naumann