MDMA ermöglicht soziales Lernen

Aktuelle Studien zeigen große Heilungserfolge

Viele psychische Krankheiten, wie etwa Depressionen, Ängste und posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), beeinflussen das Sozialverhalten betroffener Menschen. Diesen fällt es oft schwer, Vertrauen auszubilden, und sie sind schneller von sozialen Situationen überfordert. Um festgefahrene psychische Muster zu verändern, muss das Gehirn in eine sogenannte kritische Periode des sozialen Lernens versetzt werden. Solche Lernperioden sind ein zentrales Werkzeug unseres Nervensystems, um Lernprozesse zu ermöglichen.

Der Ecstasy-Wirkstoff MDMA erzeugt durch das Ausschütten körpereigenen Serotonins kurzzeitig starke Empfindungen von Glück, Vertrauen und Mitgefühl. In aktuellen klinischen Studien konnten große Heilungserfolge an Patienten mit PTBS erzielt werden. Doch wie können wenige Dosen MDMA teils jahrzehntelang erfolglos behandelten Menschen eine neue Chance auf Heilung ermöglichen?

Ein US-amerikanisches Team um Romain Darnou untersuchte nun seine Hypothese zur Lösung dieses Rätsels: An Mäusen testeten sie, ob MDMA über die akute Rauschwirkung hinaus eine kritische Periode zum sozialen Lernen eröffnet. Um dies zu testen, ließen sie in ihren Experimenten eine Maus mit einigen Artgenossen zusammenleben, bis sich eine soziale Gemeinschaft gebildet hatte. Anschließend setzte man diese Maus in einen zweigeteilten Käfig. Der Durchgang zwischen den Käfighälften wurde regelmäßig geschlossen; anschließend setzte man die bekannten Artgenossen in einen der beiden Käfige hinein. Junge Mäuse lernten schnell, in welche Käfighälfte sie gehen mussten, um diese anderen Mäuse zu treffen. In ihrem Alter befanden sie sich von Natur aus in einer sozialen Lernperiode. Ältere Mäuse brauchten dagegen deutlich länger, um zu lernen, wo sie ihre Gruppe treffen konnten. Als die Forscher jedoch den älteren Mäusen einmalig MDMA injizierten, verschwanden diese Lernunterschiede schlagartig. Obwohl die Wirkung der Substanz nur wenige Stunden anhielt, lernten die betroffenen Mäuse ganze zwei Wochen lang genauso schnell wie ihre jüngeren Artgenossen.

Um diese Beobachtung auf neuronaler Ebene zu erklären, untersuchten die Wissenschaftler in verdünntes MDMA gelegte Gehirnareale. Es zeigte sich, dass die hervorgerufene Lernperiode nicht direkt auf der Ausschüttung des Serotonins basierte. Stattdessen wurden durch das Serotonin andere Neurone dazu angeregt, Oxytocin, das sogenannte „Liebeshormon“,, auszuschütten, das schon länger mit der Aktivierung sozialer Lernphasen in Verbindung gebracht wird.

Um dieses überraschende Resultat zu untermauern, behandelten die Wissenschaftler in einer Wiederholung des Käfigexperiments ältere Mäuse mit einem Oxytocin-Blocker, bevor sie ihnen MDMA injizierten. Die Effekte waren eindeutig: Ohne Oxytocin gab es zwar akute Rauscherscheinungen, aber keine neue soziale Lernperiode.

Diese Erkenntnisse belegen die starke Wirkung von MDMA auf psychische Prozesse, die weit über den eigentlichen Substanzeffekt hinausgeht. Allerdings wurde so lediglich ein Zeitfenster für soziales Lernen eröffnet, das in den Tagen darauf aktiv durch soziale Kontakte gestaltet werden musste, da der Effekt sonst ungenutzt verflog.

Quelle: Nardou et al., 2019, Nature, Oxytocin-dependent reopening of a social reward learning critical period with MDMA