Meine Arbeit mit LSD

Gespraech mit dem Solothurner Psychiater und Psychotherapeut Peter Gasser anlaesslich des Abeschlusses seiner LSD-Studie © Hanspeter Baertschi Pressefotograf

Am 11. Januar 2006 wurde Albert Hofmann 100 Jahre alt. Juraj Styk, der
frühere Präsident der SÄPT (Schweizerische Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie) und Freund von Albert Hofmann, lud mich ein zum offiziellen Festakt im Festsaal des Museums der Kulturen in Basel. Albert und Anita Hofmann saßen ganz vorne und ich ganz hinten. Nach den feierlichen Ansprachen gingen viele der Anwesenden nach vorne, um dem Geburtstagskind persönlich zu gratulieren. Ich hatte diesen Mann seit Jahren von weitem bewundert, und ich wäre aus Zurückhaltung nicht hingegangen, um ihm zu gratulieren, wenn nicht Juraj Styk mich dazu ermuntert hätte. Also hatte ich an diesem Tag den ersten «hautnahen» Kontakt mit Albert, was mich sehr freute.

Tags darauf war ich mit Freunden und Kollegen auf einer Wanderung im wunderbar verschnei­ten Jura. Rick Doblin, der Begründer von MAPS, war auch mit von der Partie. Spazierend sprachen wir über vieles, auch über den gemeinsamen Wunsch, ein Forschungsprojekt mit LSD zu entwickeln. Rick bezeichnete es als illusorisch, ein solches Projekt in den USA zu planen. Die negative gesellschaftliche Einstellung zu LSD sah er als zu große Hürde. Aber bei der Finanzierung eines Projekts in der Schweiz würde er allenfalls mithelfen.

Ein Abenteuer beginnt

Am 13. Januar 2006 fand das große internationale Symposium in Basel LSD – Sorgenkind und Wunderdroge statt. Für viele war dieses Treffen von mehr als 1500 Teilnehmern aus aller Welt eine Art Ini­tialzündung für die Arbeit zur Förderung der psyche­delischen Therapie, die Forschung oder das langfristige Interesse an der Bewusstseinsveränderung. Auch für mich war es der Beginn eines großen Abenteuers, das bis heute andauert. Am Ende des Symposiums unterzeichneten praktisch alle Vortragenden und Organisatoren einen Appell an die Gesundheitsministerien verschiedener Länder, die Forschung und therapeutische Anwendung von LSD wieder möglich zu machen. Albert Hofmann war Erstunterzeichner dieses Appells. Meines Wissens reagierte nur der damalige Schweizer Gesundheitsminister Pascal Couchepin. Seine Antwort war knapp, aber positiv: Wenn die ethischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen gegeben seien, würde man ein entsprechendes Projekt bewilligen, hieß es darin. Eine auffallend unpolitische Antwort, die mich persönlich ermutigte, ein Projekt auszuarbeiten.

Zum Teil orientierte ich mich methodisch an der von MAPS bereits gestarteten MDMA-Forschung bei posttraumatischer Belastungsstörung und informierte mich bei Peter Oehen, der in der Schweiz schon früher ein MDMA-Projekt gestartet hatte; zum Teil las ich wissenschaftliche Artikel aus den 1960er Jahren über LSD-Behandlungen bei Krebspatienten. Ich sprach mit Psychoonkologen, Statistikern und mit Professor Rudolf Brenneisen, der als Pharmazeut eine Bewilligung für den Umgang mit LSD hatte. Ich bin ja von der Ausbildung her kein Forscher, sondern arbeite als niedergelassener Therapeut und nicht an einer Universität.

Endlich konnte das Forschungsprotokoll der Ethikkommission vorgelegt werden, die mich einlud, mein Projekt vorzustellen. Dass ich Krebs­patienten als zu behandelnde Gruppe gewählt hatte, war nicht etwa eine Vereinfachung, wie manche Zyniker meinten («Bei sterbenskranken Menschen kann man ja nicht mehr viel falsch machen»). Im Gegenteil, die Hürden waren höher. Die Ethikkommission wollte sicher sein, dass die Patienten voll urteilsfähig waren, wenn sie sich für eine LSD-Behandlung entschieden. Die Kommission brauchte lange, um ihren Entscheid zu fällen. Ich habe im Nachhinein erfahren, dass es das einzige Mal war, wo man schließlich erst über eine Abstimmung zum Entscheid kam. Sonst wurde immer so lange diskutiert, bis Einstimmigkeit herrschte. Bei diesem Projekt ging das nicht. Doch schließlich hieß die Ethikkommission das Projekt gut. Was für ein Hochgefühl! Der erste und schwierigste Schritt im Bewilligungsverfahren war genommen. Danach ging es schnell, Arzneimittelzulassungsbehörde und Gesundheitsministerium agierten rein bürokratisch – was hier positiv gemeint ist. Nach Vorliegen aller verlangten Formalitäten wurde das Projekt umgehend bewilligt. Am 7. November 2007 lagen alle Bewilligungen vor.

Die Medienlawine

Durch eine gezielte Indiskretion von Roger Liggenstorfer, Inhaber des Nachtschatten Verlags in Solothurn, wurde schon einen Monat später ein Radiojournalist auf das Projekt aufmerksam und bat um ein Interview. Ich hatte keine Ahnung, dass dies der Beginn eines großen öffentlichen Interesses war, das mich mit der Zeit fast wie eine Lawine erfasste. Es ist das Abenteuer, das ich eingangs erwähnte. Ich wurde zu einer öffentlichen Person, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich bemühe und bemühte mich, ich selbst zu bleiben, mich nicht von der Angst leiten zu lassen, aber auch nicht vor Begeisterung in einen Galopp zu verfallen oder abzuheben.

Es gab durchaus Warner, die mich zur Zurückhaltung mahnten. Es sei unwissenschaftlich, von einer Studie zu berichten, die noch läuft, ja noch nicht einmal begonnen hat. Oder auch, ich würde verheizt und mein Ruf durch eine polarisierende Presse beschädigt. Oder ich würde andere gefährden, wenn ich so offen über die Arbeit mit einer eigentlich illegalen Substanz berichtete.

Ich hatte bis anhin noch kaum Erfahrung mit Medien und ihren Erzeugern, den Journalisten. Drei Dinge, beziehungsweise zwei Menschen und eine Tatsache, haben mir geholfen, die komplexe neue Aufgabe zu meistern. Albert Hofmann war mir Vorbild in der Geduld, neugierigen Menschen auf die immer gleichen Fragen mit Sympathie und Ernsthaftigkeit zu begegnen. Rick Doblin sagte mir, die Information der Öffentlichkeit (und nicht nur der wissenschaftlichen Gemeinde) sei eine wichtige Aufgabe. Aufklärung und Information würden auf längere Sicht die Wahrnehmung der Substanzen in der Gesellschaft positiv verändern. Er nannte dies «public education», wobei education im Englischen sowohl Erziehung wie auch Bildung heißt. Und schließlich hat mir mein eigenes grundsätzliches Vertrauen in Menschen geholfen, in den Journalisten nicht in erster Linie Personen zu sehen, die einen aufs Glatteis führen und für ihre Sensationen benutzen wollen. Meistens waren es Berufsleute, die ein Interesse hatten, Informationen über dieses Thema zu sammeln und einer breiten Öffentlichkeit davon berichten wollten.

Die erste Behandlung in der Studie fand zwei Monate nach dem Tod von Albert Hofmann statt und war das Ziel meines langgehegten Traums, LSD in der Therapie anwenden zu dürfen. Ein kleines wissenschaftliches Fenster für eine hoch illegale Substanz, aber eben: Ein Anfang war nun gemacht. Barbara Speich, eine erfahrene Psychiatriepflegefachfrau und Supervisorin, und ich waren als Therapeutenpaar für die Patientinnen und Patienten da.

Belebende Heiterkeit

Es war eine Begegnung mit schwer kranken Menschen, die einen frühzeitigen Tod, Ungewissheit und Leid ins Auge fassen mussten und vom LSD eine Hilfe zur Bewältigung der existenziellen Bedrohung erwarteten. Entgegen meinen Erwartungen war es meist nicht deprimierend oder lähmend, mit diesen Menschen zusammen zu sein. Im Gegenteil, es war sehr oft belebend und […]

Peter Gasser

Den ganzen Artikel kannst du im Magazin Lucy’s Rausch Nr. 7 lesen. Hier bestellen.