Transformational Festivals

Zwischen gesellschaftlicher Revolution und psychedelischer Unterhaltung

Die Wiederherstellung der Playa nach dem Burning Man 2014. Foto: J.H.Fearless / CC BY 2.0

Auszug aus dem Magazin

Es gab eine Zeit, da war der Besuch eines Psytrance- Festivals ein Wochenend- Trip in die Weiten des psychedelischen Weltraums, ein vorübergehender Ausstieg aus dem Alltagsgrau. Zurück kam man in einem wundersamen Zustand der verkaterten Zufriedenheit. Das hat sich im Laufe der letzten Jahre geändert. Heile Welt auf Zeit war gestern – heute steht nachhaltige Veränderung auf dem Programm.

Über dem schwarzlichtaktiven Trubel von mehr und mehr Psytrance-Festivals erhebt sich ein philosophisch-spiritueller Überbau, in dem einer neuen Weltordnung gehuldigt wird. Deshalb ist mittlerweile auch von Transformational Festivals die Rede. Sie verstehen sich nicht länger nur als psychedelisches Tanzvergnügen, sondern als Keimzelle für neue Gesellschaftsformen, als interaktives Modell für einen modernen Lebensstil in Eintracht mit Mutter Natur.

Ein klassisches Psytrance-Open-Air ließ sich grob gesagt auf «Tanzmusik + Dekoration + Chillout / Chaishop» zusammenkürzen. Diese Formel ist auf dem Weg zu den Transformational Festivals komplexer geworden. Dabei sind vor allem drei Faktoren zu beobachten:

1. Musik und Tanz sind zwar weiterhin ein zentraler Bestandteil von Transformational Festivals, jedoch nicht länger der einzige. Psychedelische Inspiration wird durch ein breites Spektrum von Rhythmus und Melodie vermittelt, aber auch durch systematische körperliche und geistige Übungen wie etwa Yoga und Meditation, durch Vorträge und Diskussionen, durch Theater und bildende Kunst.

2. Auf Transformational Festivals wird nachhaltig gefeiert, sie machen sich die Ziele der Ökobewegung zu eigen.

3. Den wundersamen Dingen, die sich beim Herumhüpfen auf der Tanzfläche im Oberstübchen abspielen, wird auf Transformational Festivals ein weltveränderndes Potential beigemessen.

Geistig-körperliche Übungen wie Yoga und Meditation sind ein wichtiger Aspekt jener Magie, die Aussteiger aus aller Welt in Indien entdecken. Das Aufkommen elektronischer Tanzmusik an den Stränden von Goa kann als moderne Form solcher Übungen betrachtet werden. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Psytrance-Szene eine Affinität zu Yoga, Meditation & Co. besitzt. Bis vor etwa zehn Jahren waren diese Praktiken auf Festivals aber weitgehend Privatsache, ein Special-Interest- Ding, das es im Camping zu beobachten oder in einem kleinen Zelt am Rande der Party zu entdecken gab. Heute nehmen sie dagegen auf immer mehr Veranstaltungen einen zentralen Platz im Geschehen ein: So genannte «Healing Areas», in denen unter fachkundiger Anweisung körperliche und geistige Übungen durchgeführt werden, haben auf Transformational Festivals eine Infrastruktur, die den Dancefloors in nichts nachsteht.

Das Angebot reicht von Yoga- und Meditationstechniken über Massagen und Klangschalentherapie bis hin zu Schwitzhüttenritualen – und es findet großen Zuspruch. Das Gleiche gilt für ein umfangreiches Programm von Vorträgen und Workshops zu gesellschaftstheoretischen, esoterischen und ökologischen Themen, für die Redner und Aktivisten aus aller Welt eingeflogen werden. In der Schnittmenge von Naturwissenschaft und gewagten New-Age-Theorien lautet das Ziel: Bildung und Inspiration für eine neue Gesellschaft, die wieder mehr in Harmonie mit dem Planeten lebt.

Harmonie mit dem Planeten also. Kein Wunder, dass auch die Öko-Bewegung ein zentraler Bestandteil von Transformational Festivals ist. Einerseits haben sie den Anspruch, an und für sich möglichst ökologisch zu sein. Andererseits soll nachhaltiges Leben hier im Modellversuch interaktiv erfahrbar gemacht werden – als Inspiration für eine bessere Welt. Von Mülltrennung und Recycling über Kompost-Klos und erneuerbare Energien bis hin zu fair gehandeltem Kaffee und Bio-Futter in der Fressmeile ist alles auf Nachhaltigkeit getrimmt.

Zuletzt ist da noch die Musik. Dass sie im menschlichen Bewusstsein Veränderung auslöst, ist zwar nicht wirklich neu. Und auch der Vergleich von elektronischen Vier-Viertel-Rhythmen mit archaischen Stammestänzen wurde schon gezogen, bevor Psytrance oder Goa als Musikgenres existierten. Dennoch wird der kollektiven Ekstase auf der Tanzfläche eines Transformational Festivals ein neues, radikales Potential beigemessen. Die Trance-Tanz-Erfahrung und das Gefühl der Einheit werden als Inspirationsquelle für eine utopische Gesellschaft gehandelt.

Was bleibt vom Fest?
Transformational Festivals verstehen sich als Keimzelle für gesellschaftliche Veränderung – schön und gut. Aber das kann nur der Anfang sein. Denn wenn man den erklärten Anspruch hat, eine neue Weltordnung herbeizuführen, dann muss sie sich auch jenseits des Veranstaltungszeitraums manifestieren. Auf Worte müssen Taten folgen. Oder,
wie es der auf Transformational Festivals ikonenhaft verehrte Albert Hofmann trefflich formulierte: «Wir können
uns nicht nur in der geistigen Welt bewegen, denn im Alltag müssen wir uns wieder mit der materiellen Weltmbefassen.» Irgendwann ist es also an der Zeit, das Zelt zusammenzupacken, nach Hause zu gehen und ernst zu machen mit der neuen Welt. Es stellt sich die Frage: Was bleibt vom Fest – wo ist die Transformation, die Veränderung? Im Mikrokosmos des in Portugal stattfindenden Boom Festivals hat tatsächlich eine beachtliche Evolution in Richtung «Neue Welt»[…]

Roberdo Raval

Den ganzen Artikel kannst du im Magazin Lucy’s Rausch Nr. 3 lesen. Hier bestellen.