Wenn wir wüssten …

… wie viele unserer Mitmenschen Drogen konsumieren – unser Nachbar, unsere Kollegen oder Chefs, Politiker, Wirtschaftsbosse etc. – wir würden staunen und ziemlich schnell und radikal die Drogengesetze ändern. Immer wieder finden sich in unseren Parlamentsgebäuden, ob nun in Berlin, Bern oder Wien, Spuren von leistungssteigernden Substanzen (insbesondere Kokain, wen wundert‘s). Meist auf den unwirtlichen Toiletten – Politiker sehen sich dazu ebenso genötigt wie Clubgänger.
Statistiker vermuten (exakte Zahlen sind prohibitionsbedingt kaum erhältlich), dass rund ein Drittel der Bevölkerung Erfahrungen mit Hanfkonsum hat – und sei es, dass manche nur einmal an einem Joint gezogen haben. Gesetze für Genussmittel, die derart verbreitet sind, sollten deshalb längst reguliert und der Realität angepasst werden. Moralisierende «Saubermänner» unterstellen Drogenkonsumenten oft einen fehlenden Realitätsbezug. Mir scheint dies eher umgekehrt der Fall zu sein.
Hanf zum Beispiel wurde meistens verboten, um Andersdenkende auszugrenzen. Aber auch wirtschaftliche Motive spielten eine Rolle: Es war ein Wirtschaftskrimi auf der Basis von Fake-News, der zu diesem absurden Verbot führte. Verbrecher wie Harry J. Anslinger, Vorsitzender des Federal Bureau of Narcotics und Mitglied der Drogenkommission der UN, bedauerlicherweise mit Schweizer Wurzeln, haben dieses Gesetz durch Korruption und Lügengebilde erst ermöglicht, unterstützt von Politikern und Wirtschaftsleuten wie dem Chemiegiganten DuPont und dem Zeitungsmagnaten Hearst.

Legale Narco-Dollars ermöglichen den Gesinnungswandel.

Politiker berauschen sich bei offiziellen Anlässen nicht ungern mit Alkohol, lassen sich aber im selben Atemzug über Drogengebraucher aus. Das ist mehr als zynisch. Die gleichen Moralisten, die unisono und lauthals gegen jegliche Lockerung des Betäubungsmittelgesetzes protestieren, sind gegen ein Verbot von Tabak- und Alkoholwerbung (auch an Jugendanlässen). Jugendliche dürfen sich also gerne weiterhin die (nach Sterblichkeitsraten) gefährlichsten Drogen Alkohol und Tabak reinziehen und damit die Steigerung des Bruttosozialprodukts kräftig unterstützen. Den relativ gut verträglichen Hanf dürfen sie jedoch nur auf dem Schwarzmarkt unter Umständen erwerben, die alles andere als jugend- und verbraucherfreundlich sind.
Wirtschaftliche Argumente befördern nun auch die Legalisierung: Im Budget der Schweizer Eidgenossenschaft ist für 2019 ein CBD-Steuereinnahmebetrag (eine sogenannte Tabaksteuer) von rund 15 Millionen Franken aufgeführt: Man rechnet fest damit. Und die Umsätze in den US-Staaten, in denen Hanf bereits legalisiert ist, lassen die mit leistungssteigernden Substanzen kontaminierten Politiker hierzulande aufhorchen. Nicht Vernunft oder gar Einsicht ermöglichen diesen Gesinnungswandel, nein, nur legale Narco-Dollars lassen ehemalige Prohibitionisten nun zu Hanf- Investoren mutieren.
Es wäre Zeit für ein allgemeines Drogen-Coming-Out. Doch in Zeiten der Prohibition dominiert verständlicherweise die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und Führerscheinverlust. Dabei würden viele große Augen machen, wenn sie wüssten, welche Errungenschaften, Entdeckungen und Erfolge drogeninduziert erreicht wurden. Wie zum Beispiel die Eishockeyspieler der Schweizer Nationalmannschaft, die möglicherweise dank Ayahuasca beinahe Weltmeister wurden, wie die «Neue Zürcher Zeitung» berichtete (siehe bit.ly/2MxEtuG). Aber das ist eine andere Geschichte.

Eine Kolumne von Roger Liggenstorfer