Cannabis – Medikament und Genussmittel

Cannabis ist in den USA in mehr als der Hälfte der Bundesstaaten als Medizin zugelassen. In Bundesstaaten ohne legale Abgabestellen für medizinisches Cannabis (medical marijuana dispensaries) werden deutlich mehr Mittel gegen Schlafstörungen, Psychosen, Angstzustände, Übelkeit, Schmerzen, Depressionen und Krampfanfälle verschrieben als in Bundesstaaten, in denen es solche Abgabestellen gibt. Und in Bundesstaaten, in denen Cannabis als Medizin zugelassen ist, gibt es durchschnittlich um ein Viertel weniger Todesfälle durch Überdosierungen mit ärztlich verschriebenen Opioiden (Schmerzmitteln) als in Bundesstaaten, in denen Cannabis als Medizin nicht verfügbar ist. Aus diesem Grund haben einige Pharmaunternehmen in den USA kräftig in ihre Werbung investiert und mit bedenklichen Methoden Ärzte dazu animiert, ihren Patienten vermehrt synthetische Opioide zu verschreiben. Die Folgen waren verheerend, wie die Statistik zeigt: Die USA haben 328 Millionen Einwohner; im Jahr 2017 gab es in den USA 72 300 Drogentote. Das sind 220,4 Drogentote pro Million Einwohner. Deutschland hat 82 Millionen Einwohner; im Jahr 2017 gab es in Deutschland 1272 Drogentote. Das sind 15,5 Drogentote pro Million Einwohner. In den USA gibt es also über 14 Mal mehr Drogentote als in Deutschland, unter anderem deshalb, weil das Schmerzmittel Oxycontin der Firma Purdue Pharma fahrlässig und viel zu häufig verschrieben wird.

In Deutschland sind seit dem 10. März 2017 Cannabisblüten als Medikament zugelassen und verschreibungsfähig. Gemäß Gesetz haben die Krankenkassen die Kosten zu übernehmen, was sie jedoch nur in etwa zwei Drittel der Fälle tun. Für etliche Patienten ist daher der Zugang zu ihrem Medikament immer noch sehr beschwerlich. Für mehrere Zehntausend weitere Patienten hat das Gesetz hingegen eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation bewirkt. Der Kontext, in dem Cannabis diskutiert wird, hat sich durch die Legalisierung als Medizin von Grund auf geändert. Cannabis ist nicht mehr nur ein «böses» Rauschgift, sondern auch eine heilsame Medizin. Und so wird auch die Cannabis-Forschung, die aufgrund der Verbotspolitik jahrzehntelang stark eingeschränkt oder ganz lahmgelegt war, wieder intensiv betrieben. Dabei werden die Wirkungen und Nebenwirkungen der verschiedenen Cannabinoide wie THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) untersucht. Die protektive Wirkung von CBD in Bezug auf die Wirkung vonTHC ist hier von besonderem Interesse. Das Verhältnis von THC und CBD in einer Cannabiszubereitung ist ausschlaggebend für deren Wirkung, sowohl in medizinischer als auch in hedonistischer Hinsicht. Für unerwünschte Nebenwirkungen beim Genuss von Cannabiszubereitungen ist nicht alleine ein sehr hoher THC-Gehalt entscheidend, sondern auch ein sehr niedriger CBD-Gehalt. Für die Verträglichkeit von Haschisch und Gras ist das Verhältnis von THC zu CBD (Ratio) relevant. Ein hoher CBD-Anteil respektive eine niedrige THC-CBD-Ratio wirkt entspannend, ohne die THC-Wirkung zu beeinträchtigen. Die durch das CBD bewirkte Entspannung erhöht den Genuss und vermindert das Craving (Substanzverlangen).

Bei einer künftigen Legalisierung oder Regulierung des Cannabismarktes sind somit nicht nur die THC-Gehalte, sondern auch die CBD-Gehalte zu berücksichtigen, und auf allen Produkten sollten Angaben zu diesen und weiteren Cannabinoiden vermerkt werden. Auch in diesem Sinne wäre eine Legalisierung ein wichtiger Beitrag zur Schadensminderung.

Hans Cousto ist Sachbuchautor, Musikwissenschaftler und Mitbegründer von Eve&Rave Berlin.