Die Psilocin-haltigen Pilze

Xtra»Zauberpilze«

Gymnopilus spectabilis.

Warai–Take, Hsiao–ch’un, Teonanácatl, Chipi–Kakuljá

Text Jonathan Ott

Die Japaner unterschieden verschiedene Pilze als warai-take (‹lachende Pilze›), die auch in China (dort als hsiao-ch’un) existierten. Der chinesische warai-take ist Panæolus campanulatus (oder für manche Mykologen seine var. sphinctrinus: Pan. sphinctrinus); während ihr o-warai-take (oder „großer lachender Pilz“) Gymnopilus spectabilis ist – beides psilocinische und psychoptische Pilze; ebenso wie der shibire-take, Psilocybe venenata (venenata bezieht sich auf seine Farbe; nicht darauf, dass er ‹giftig› ist). Obwohl der mai-take heute mit Grifola frondosa identifiziert wird, einer Art, von der nicht bekannt ist, dass sie psychoaktive Eigenschaften aufweist, können wir davon ausgehen, dass es sich um eine psilocinische Art handelt oder ursprünglich handelte. Doch es war nicht etwa Japan, wo die lachenden Pilze“ in das moderne Bewusstsein zurückkehrten, sondern Mesoamérica … Und zwar über das bahnbrechende Buch der Wassons, Mushrooms, Russia and History (das 1957 in einer einzigen Auflage von 513 Exemplaren erschienen war). [Warai-take gab es ebenfalls in Mesoamérica: Der oaxacanische Psilocybe zapotecorum wird oft als ‹Pilz des reinen Lachens› bezeichnet. Er ist auch in den intermontanen südamerikanischen Yungas verbreitet.]

Obwohl dieses Buch (zu einem Preis von 250 US-Dollar: das entspricht 6.250 US-Dollar unseres modernen prostituierten Geldes!) nie ausgiebig rezipiert worden war, wurde es in der 13. Ausgabe von Life im Mai desselben Jahres in Gordon Wassons Artikel «Seeking the Magic Mushroom» («Die Suche nach dem magischen Pilz») vorgestellt (Life war zu dieser Zeit die Zeitschrift mit der größten Auflage in der Welt: Der Artikel erschien am 3. Juni im Spanisch-sprachigen Life Magazine), was die eigentliche Enthüllung des Pilzes für die Welt darstellte. [Wasson erhielt für diesen Artikel 10.000 US-Dollar, was heute 250.000 US-Dollar entspricht! Mit dem Buch und dem Artikel verdienten die Wassons in heutige Verhältnisse umgerechnet 2.500.000 US-Dollar! Die gesamte Auflage dieser einzigen Ausgabe von Mushrooms, Russia and History wurde noch vor Ende 1957 verkauft!] Wasson erhielt von Henry Luce die Zusage, kein einziges Wort seines Berichts zu verändern, gleichwohl bestand Luce darauf, den Artikel zu betiteln.

Bedauerlicherweise sind seither alle diese Pilze als ‹Magic Mushrooms› bekannt, was auf Prestidigitation oder persische Narren mit spitzen Schirmmützen schließen lässt! [Man beachte, wie dieser Redakteur es geschafft hat, den grandiosen Inhalt eines großartigen Aufsatzes zu beschneiden, indem er den Titel auf vier mickrige Worte beschränkte!] In einer exzellenten Prosa-Poesie geschrieben, räumte Wassons Artikel dem Schamanismus den ihm gebührenden Platz ein; so war er für ihn nicht etwa eine Angelegenheit von ‹Hexendoktoren› [typisch ist hier von Ditmar, der im Jahr 1890 behauptete, man würde durch den Pilz «in einen dem völligen Wahnsinn ähnelnden Stupor» geraten] im Gegensatz dazu charakterisierte er María Sabina (in Life von ihm als «die Mixeteca Eva Méndez» bezeichnet) als «eine geschickte Praktikerin»; sie war «das Orakel» … Und er hörte «den Pilz, der durch sie sprach, die Worte Gottes, wie die Indianer glauben».

Wasson beschrieb seine Vision als «… realer als alles, was ich je mit meinen eigenen Augen gesehen hatte. Ich spürte, dass ich jetzt klar sah, während das gewöhnliche Sehen uns eine unvollkommene Sicht vermittelt; ich sah die Archetypen, die platonischen Ideen, die den unvollkommenen Bildern des täglichen Lebens zugrunde liegen. Mir kam der Gedanke: Könnten die göttlichen Pilze das Geheimnis sein, das hinter den alten Mysterien liegt?“ [Kurze Zeit davor:] Da war ich, im Raum schwebend, ein körperloses Auge, unsichtbar, unkörperlich, sehend, aber nicht gesehen. [Die kursiven Hervorhebungen stammen von mir.] Und das von einem ‹Wall-Street-Banker›, dem damaligen Vizepräsidenten der [J. Pierpont] Morgan Bank!

Ich kann bestätigen, dass dies sicher nicht dem typischen Inhalt des Life-Magazins entsprach! Dreiundzwanzig Jahre später, in seinem vorletzten Buch, The Wondrous Mushroom: Mycolatry in Mesoamerica, dichtete Wasson poetisch über seine Pilz-Velada (29. Juni 1955) mit seiner Mæcenas, María Sabina:

«Im schwachen Licht dieses Spiels durchlebte ich Jahrhunderte, Jahrtausende, sogar Dekaden von Jahrtausenden. María Sabina war die Schamanin, Mittelpunkt für die Sorgen und Sehnsüchte der Menschheit, zurück, zurück durch die Steinzeit nach Sibirien. Sie war die fleischgewordene Religion. Sie war der Hierophant, der Thaumaturg, der Psychopompos, in dem die Sorgen und Sehnsüchte unzähliger Generationen der Menschheitsfamilie ihre Erleichterung gefunden hatten und immer noch fanden. All dies sah ich im Licht dieses einen Streichholzes, im Schattenspiel von María Sabina. Das Licht dieses Streichholzes schien eine Ewigkeit zu brennen, und dann, plötzlich, war es erloschen.»

Den Wassons verdanken wir nicht nur die moderne Wiederentdeckung der psychoptischen Pilze – sowohl der visionären Amanitæ als auch der psilocinischen Arten –, sondern auch unsere respektvolle Würdigung des Schamanismus als ‹Ur-Religion› (begrifflich geprägt von Weston La Barre und Peter T. Furst); ich sollte eher sagen, als Quelle unserer Kultur, deren wahre Geburtsstätte Sibieren ist; der Nahe Osten ist eher der Sarg seiner Begräbnisstätte, unter einer Kathedrale künstlicher Religion, die auf Placebo-Sakramenten beruht! Dieser Life-Artikel umfasste 15 Seiten mit 21 Abbildungen und enthielt sieben Aquarelle des französischen Mykologen Roger Heim, die die gleiche Anzahl von Varianten visionärer Pilze darstellten — darunter vier Arten, die der Wissenschaft bis dahin unbekannt waren (dreizehn Jahre später wurden einige dieser Aquarelle für den ersten ‹populären Feldführer› über diese Pilze kopiert). Außerdem wurde eine Fotografie (in Schwarz-Weiß) von Psilocybe mexicana … veröffentlicht, die Heim in seinem Pariser Labor kultiviert hatte. Zusammen mit seinem Kollegen Roger Cailleux gelang es Heim, mehrere Arten zu züchten.

Nachdem es einigen französischen und US-amerikanischen Chemikern nicht gelungen war, ihre visionären Prinzipien zu isolieren (indem sie versuchten, Labortiere für den Bioassay zu missbrauchen, um die aktiven Fraktionen aufzuzeigen), schickte Heim Anfang 1957 hundert Gramm getrocknetes Material seiner kultivierten P. mexicana an Albert Hofmann von der Pharmafirma Sandoz in Basel, Schweiz (mit der richtigen Begründung, dass seine Erfahrungen mit LSD-25 oder Delysid™, einem anderen Pilz-Entheogen, relevant sein könnten).

Hofmann verschwendete ebenfalls zwei Drittel des kostbaren Materials für fruchtlose Experimenten mit Tierversuchen und beschloss schließlich, 2,4 Gramm der Pilze selbst einzunehmen, um sicherzugehen, dass sie in diesem getrockneten Zustand ihre Wirkung behielten (die Indianer sagten, dass dem nicht so sei). Diese waren beeindruckend aktiv, so dass Hofmann und seine Kollegen sich in der Folge als Versuchskaninchen hergaben (im Rahmen von ‹psychonautischen Bioassays› bzw. der ‹Heffter-Technik›), um seine Fraktionen in einer Dosierung zu testen, die 0,8 Gramm der getrockneten Pilze entsprach.

Lucys Xtra

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