Muskat – Magie aus dem Gewürzregal

XtraEthnobotanische Betrachtung

Text und Fotos: Michael Kleim

Eine traditionelle Speise Thüringer Ureinwohner sind die Klöße. Laut Rezept werden dafür rohe Kartoffeln aufwendig gerieben und im Anschluss mithilfe eines Küchentuches ausgedrückt. Gleichzeitig muss man auch gekochte Kartoffeln zu einem Brei zerstampfen. Diese beiden Massen werden gemischt und entsprechend gewürzt. Man fügt Salz, Pfeffer und Muskat hinzu. Letzteres wurde auch bei Kartoffelpüree, Rosenkohl, Spinat und zur Vorweihnachtszeit in diversen Plätzchen verwendet. Myristica fragrans, Muskatnuss genannt, ist der Samen eines Baumes, der auf den west- und ostindischen Inseln beheimatet ist. Die Muskatnuss wird mit einer extra dafür vorgesehenen Reibe zerkleinert, wobei auch der Samenmantel Macis verwendet werden kann.

Muskat kam als Gewürz im Zusammenhang mit den Kreuzzügen nach Europa. Wie viele andere exotische Gewürze war es sehr teuer und nahezu unerschwinglich. Die Niederländische Vereenigde Oostindische Companie forcierte im 17. Jahrhundert den Gewürzhandel und konnte Muskat in der europäischen Kochkunst fest etablieren.

Während Muskat heutzutage vor allem in der Küche zu finden ist, hatte es einst auch eine Karriere als Kultpflanze, Heilmittel und Rauschdroge hinter sich. Es enthält die ätherischen Öle Myristicin, Safrol und Elemicin. Myristicin gilt als Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer), was zu einer größeren Verfügbarkeit des Botenstoffes Serotonin im Gehirn führt. Als MAO-Hemmer werden Stoffe bezeichnet, welche im Körper die Enzyme hemmen, die zum Abbau von Monoaminen dienen (Monoaminooxidase A und B). Zudem haben die Inhaltstoffe von Muskat chemische Ähnlichkeit mit Methoxy-Methylendioxyamphetamin (MMDA), einer entaktogenen Droge, die emotionale Verstärkung auslösen kann. Somit gehört Muskat zu den Substanzen, welche die Fähigkeit verstärkt, den Innenraum der eigenen Seele zu berühren.

In einem Backrezept der berühmten Nonne Hildegard von Bingen (12. Jhd.) befindet sich neben Zimt und Nelken auch eine recht hohe Dosis von Muskatnuss. Hildegard empfiehlt ihre Kekse ausdrücklich zur Beruhigung der Nerven. Sie helfen laut Hildegard dabei, das Herz und die Sinne zu öffnen und die Stimmung zu verbessern.

Die berühmten Abenteuer von „Alice im Wunderland“ veröffentlichte Lewis Carroll 1865 in London. Alice erlebt darin sonderbare Zustände. Sie spürt starken Schwindel und Taumelzustände. Die Welt scheint sich beständig zu drehen. Alice hat ein verändertes Körpergefühl und nimmt Größenordnungen scheinbar verschoben wahr. Sinnliche Eindrücke werden intensiviert und die Umwelt scheint in ein märchenhaftes Licht getaucht. Diese Beschreibungen ähneln auch den Erfahrungen unter einer psychoaktiv wirksamen Dosis von Muskat.

In der Filmbiografie „Nostradamus“ (1994, Regie: Roger Christian) werden die heftigen Visionen des mystischen Sehers, der im 16. Jahrhundert ein unstetes Leben zwischen Inquisition, Erkenntnis und prophetischen Ahnungen geführt hat, u.a. auch auf die Wirkung von Muskat zurückgeführt. Diese Theorie findet sich auch in weiteren Quellen, u.a. bei Margarethe Honisch auf VICE.

Lucys Xtra

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