Sprachalgorithmus sagt den Erfolg einer Psilocybin-Therapie voraus

Zauberpilze sind therapeutisch nutzbar. Foto: Fotolia
Zauberpilze sind therapeutisch nutzbar.
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Weltweit nimmt die Zahl der an Depression erkrankten Menschen stark zu. Mit klassischer Psychotherapie und Antidepressiva lassen sich jedoch nur die Hälfte der schwer Depressiven erfolgreich behandeln. Einen neuen Behandlungsansatz bietet die psychedelische Psychotherapie, bei der zusätzlich zur herkömmlichen Behandlung einige psychedelische Erfahrungen integriert werden. Im psychedelischen Zustand können sich die Patienten emotional neu mit sich selbst und ihren Lebensumständen auseinandersetzen. In Pilotstudien konnten etwa 40 Prozent der vormals nicht-heilbar an Depression erkrankten Patienten durch psilocybingestützte Psychotherapie geheilt werden. Dennoch sprachen weiterhin 60 Prozent der Patienten nicht ausreichend auf die neue Behandlungsmethode an.
Eine internationale Forschergruppe um Facundo Carrillo aus Buenos Aires nutzte nun einen hochmodernen Ansatz, um die Präzision der Behandlung zu erhöhen: Eine künstliche Intelligenz (KI) sollte die psychedelisch heilbaren Patienten unter der Menge aller Patienten herausfiltern, um den anderen Patienten unwirksame Behandlungen zu ersparen. Um die Machbarkeit dieser Idee zu testen, rekrutierten sie 17 bislang nicht-heilbar depressive Menschen (12 Männer, 5 Frauen), sowie 18 gesunde Personen (11 Männer, 7 Frauen).
Die Therapie begann mit einem individuellen autobiografischen Gespräch. Darin sollten die Teilnehmer zu unscheinbaren Stichwörtern (wie z.B. «Zeitung») frei erzählen, was ihnen dabei durch den Kopf ging. Eine Sprachsoftware analysierte die Gespräche auf die Art und Häufigkeit emotionaler Wörter und das Ergebnis wurde von einer KI mit den späteren Behandlungserfolgen verknüpft. In einem ersten Schritt sollte die Software gesunde und depressive Teilnehmer unterscheiden. Die Sprachanalyse zeigte, dass depressive Menschen deutlich weniger positive Wörter benutzten. Dies erkannte die KI und konnte nun depressive und gesunde Teilnehmer mit einer Präzision von 83 Prozent korrekt erkennen.
Nun folgte das eigentliche Experiment: Kann die Software lernen, den Erfolg einer psilocybingestützten Psychotherapie vorherzusagen? Alle Patienten durchlebten eine psychedelische Psychotherapie und erhielten unter Aufsicht in einem behaglichen Umfeld im Abstand von einer Woche insgesamt zwei Dosen Psilocybin verabreicht (jeweils 10 mg und 25 mg). Patienten, die fünf Wochen nach Ende ihrer Therapie immer noch eine deutliche Verbesserung ihrer Symptome zeigten, galten als erfolgreich behandelt.

Depressive Menschen benutzten deutlich weniger positive Wörter.

Tatsächlich konnten sieben Patienten (41 Prozent) große Verbesserungen verzeichnen. Nun musste die Software lernen, den Zusammenhang zwischen dem Sprachstil der Patienten und ihrem Therapieerfolg zu verstehen. Obwohl sich die erfolgreich behandelten Patienten sprachlich nicht signifikant hervorhoben, lernte die Software, den Behandlungserfolg mit 75 Prozent Präzision vorherzusagen. Wären also nur die vom Computer ausgewählten Patienten behandelt worden, hätte sich unter ihnen die Heilungsquote fast verdoppelt.
Die Forscher versuchten nachzuvollziehen, was den Computer zu seinen richtigen Entscheidungen geführt hatte. Sie entdeckten, dass Menschen, denen die psychedelische Erfahrung helfen konnte, vor der Behandlung insgesamt sehr wenige emotionale Wörter benutzten. Möglicherweise eröffnete Psilocybin diesen Patienten einen neuen Zugang zu ihrer emotionalen Welt, die sie ansonsten in sich verschlossen hielten.

Carrill o et al. 2018: Natural speech algorithm applied to baseline interview data can predict which patients will respond to psilocybin for treatment-resistant depression. Journal of Affective Disorders.

Linus Naumann