Raumfahrt, psychotrope Substanzen, Psychedelik und Aliens

Veränderte Bewusstseinszustände außerhalb des Planeten

Ed White beim ersten «Space-Walk» der USA, mit Bong | Montage CC-BY-SA Dirk Netter & Soerfm

Wie berauschen sich eigentlich Astronauten auf der ISS? Trinken Kosmonauten nach Feierabend Alkohol? Was haben John C. Lillys Delfinexperimente mit Außerirdischen zu tun? Und was verbindet eigentlicht die Psychedelik mit der Raumfahrt? Diese (und viele weitere) Fragen werden im nachfolgenden Artikel geklärt.

1. Psychonautik und Kosmos

Die Faszination für das Universum begleitet den Menschen, seit er denken kann – und gerade Psychonauten haben quasi per Definition eine Nähe zum All. So setzt sich die Bezeichnung selbst aus den altgriechischen Worten Psyche (ψυχή «Seele») und Nautik (ναυτικὴ «Schiffahrtskunde») zusammen. Obschon das sprachliche Bild der «Seefahrt auf dem Ozean der Seele» so schön wie treffend ist, scheint der Begriff der Psychonautik semantisch jedoch der Astronautik näher, als dem der Schifffahrt zu sein (wie die folgenden Ausführungen beweisen).

Kosmische Referenzen finden sich in unzähligen Schriften, so beispielsweise im Titel von Rudolf Gelpkes LSD-Erfahrungsberichtes «Fahrten in den Weltraum der Seele» (Gelpke 1999), ein Begriff den auch Albert Hofmann gutheißt:

«Der Ausdruck ist gut gewählt, weil der Innenraum der Seele genauso unendlich und geheimnisvoll ist wie der äußere Weltraum und weil die Kosmonauten des äußeren wie des inneren Weltraums nicht dort verbleiben können, sondern auf die Erde, ins Alltagsbewußtsein zurückkehren müssen. Auch verlangen beide Fahrten eine gute Vorbereitung, damit sie mit einem Mindestmaß an Gefahr durchgeführt werden können und zu wirklich bereichernden Unternehmen werden» (Hofmann 1982, S. 92f).

Albert Hofmann und Stanislav Grof. Foto: Stan Grof

In den Werken von Stanislav Grof, einem der herausragenden Pioniere der Psychonautik, finden sich zahlreiche Beschreibungen über die «Erfahrung kosmischer Einheit» (engl. «Experience of cosmic unity») (Grof 1972, S. 51).

Im Laufe von zahlreichen Selbstversuchen, aber auch überwachten LSD-Sitzungen, wurde Grof Zeuge einiger Inhalte, die von kosmischer Thematik geprägt sind. Darunter bspw. die Erfahrung der «planetaren Bewusstheit» unserer Erde:

 

«[Hierbei] scheint das Bewusstsein des Subjekts alle Phänomene dieses Planeten zu umfassen, einschließlich sowohl organischer als auch anorganischer Materie. Es ist ein relativ seltenes Phänomen, das meist in fortgeschrittenen Sitzungen einer LSD-Behandlung auftritt» (Grof 1972, S. 67).

Die Wahrnehmung einer «Alleinigkeit allen Seins» ist eine der häufigeren Erfahrungen, die durch psychedelische Substanzen ausgelöst werden könnten. Eine Variante dieser Spielart findet sich in der (ebenfalls von Grof berichteten) «außerplanetarischen Bewusstheit»:

«Hier erlebt das Subjekt Phänomene, die sich auf andere Himmelskörper als unseren Planeten beziehen, die innerhalb unseres Sonnensystems oder außerhalb davon existieren. Eine besondere Art der Erfahrung, die zu dieser Kategorie gehört, ist das Bewusstsein des interstellaren Raums, das von mehreren unserer Probanden unabhängig voneinander berichtet wurde. Es ist gekennzeichnet durch Gefühle der Ruhe, Gelassenheit, Reinheit, Unendlichkeit und Ewigkeit sowie der Einheit aller denkbaren Gegensätze» (Grof 1972, S. 67).

Auch vom tatsächlichen räumlichen Erleben einer Weltraumfahrt wird in der Literatur berichtet. In einer Fallstudie gibt Dawson (2001, S. 303) das Erlebnis eines jungen Mannes wieder, der während des Beobachtens einer Mondfinsternis 1984 eine plötzliche kosmische Reise antrat:

«Als die Finsternis sich vervollständigte und die Sonne hinter uns stand, sahen wir den Mond vor uns und es blieb nur noch ein kleiner Lichtfleck auf dem Mond. Völlig ohne Vorwarnung schienen sich die hellen Lichtstrahlen von diesem Punkt an meinem Kopf festzusetzen, ihn von meinen Schultern zu heben und ihn physisch (praktisch augenblicklich) an den Rand des Mondes zu bewegen, wo ich einen klaren Blick auf die gesamte Milchstraße hatte, die sich von meinem Kopf aus nach außen erstreckte. Sie schien durch meinen Kopf in Höhe meiner Augen dahinzufließen.

Ich weiß nicht genau, ob dies die Milchstraße war, die ich sah. Ich hatte ein intensives Gefühl des Wiedererkennens, das vermutlich auf den vielen Fotos und Planetariumsshows beruhte, die ich gesehen hatte und auf denen die dünne, eiförmige Form unserer Heimatgalaxie abgebildet war.»

2. Begegnungen mit außerirdischen Lebensformen

Auch Sichtungen von, oder Interaktionen mit außerirdischen Lebensformen werden erstaunlich oft vermeldet. Terence McKennas (1991) erschienenes Buch «Archaic Revial» deutet bereits im Untertitel auf eine Außeinandersetzung mit UFOs hin (Speculations on Psychedelic Mushrooms, the Amazon, Virtual Reality, UFOs, Evolution, Shamanism, the Rebirth of the Goddess, and the End of History).

Dennis McKenna, Foto: Synergetic Press

Ein Thema, das den Science-Fiction vernarrten Psychonauten in einer Vielzahl von Vorträgen und Schriften beschäftigte. Im Laufe des legendären «Experiments in La Chorrera», das er mit seinem Bruder Dennis sowie weiteren Begleitern ausführte, sichtete Terence eine fliegende Untertasse, das ihn jedoch nicht, wie erhofft, entführte, sondern schließlich verschwand. Diese Erfahrung findet sich sowohl in «True Hallucinations» sowie in Dennis McKennas (wunderschönem!) «Brotherhood of the screaming Abyss» (McKenna 2012, S. Kapitel 31; Mckenna 1994, S. 122f).

Ebenso war McKenna – so wie auch der berühmte Mykologe Paul Stamets (Stamets 2005, S. 8f) – ein Vertreter der Panspermie-Hypothese. Laut dieser Theorie soll es möglich sein, dass sich einfache Lebensformen (zum Beispiel durch Sporen) durch das All bewegen und so die Anfänge des Lebens auf die Erde brachten – einschließlich der psilocybinhaltigen Pilze.

Neben UFO-Sichtungen berichten Menschen, die unter dem Einfluss psychotroper Substanzen stehen, auch von Interaktionen mit Außerirdischen. Gerade DMT scheint eines der Moleküle zu sein, die besonders prädestiniert dafür sind, in Kontakt mit diesen Entitäten zu treten. Erfahrungen dieser Art finden sich beispielsweise in Rick Strassmans «The Spirit Molecule» (2000, S. 215):

«Ich flog direkt in die tiefen des Alls. Sie wussten, dass ich zurückkomme, und sie waren bereit für mich. Sie sagten mir, es gäbe viele Dinge, die sie mit uns teilen könnten, wenn wir lernen, wie man einen erweiterten Kontakt herstellen kann. Wieder wollten sie etwas von mir, nicht nur physische Informationen. Sie waren an Emotionen und Gefühlen interessiert.
(…)
Ich wusste immer, dass wir nicht allein im Universum sind. Ich dachte, dass man ihnen nur als helle Lichtphänpmene und in fliegenden Untertassen im Weltall begegnen kann. Es kam mir nie in den Sinn, ihnen tatsächlich in unserem eigenen inneren Raum zu begegnen. Ich dachte, die einzigen Entitäten, denen wir begegnen könnten, wären Inhalte unserer eigenen persönlichen Sphäre der Archetypen und Mythologie. Ich habe Geistführer und Engel erwartet, keine außerirdischen Lebensformen.»

Auch John C. Lilly näherte sich von der wissenschaftlichen Seite der Begegnung mit außerirdischen Lebensformen an. Bekannt durch seine Forschung mit den Floating Tanks (auch Samadhi-Tanks), hat er sich in den 1950er Jahren intensiv mit der Forschung an Delfinen beschäftigt. Er war, seit einem zufälligen Zusammenstoß mit den marinen Lebewesen, fasziniert von allen Meeressäugern.

Überzeugt von der einzigartigen Intelligenz der Delfine, war er überzeugt, eine Form der Kommunikation aufzubauen, indem er den Tieren das Sprechen beibringen wollte. Ein Vorhaben das, so abstrus es klingen mag, von den US-amerikanischen Behörden gefördert wurde. Der Grund, warum gerade die NASA sich auf dieses Forschungsvorhaben einließ, wird plausibel, wenn man Lillys Argumentation in einem Paper aus dem Jahre 1985 zurate zieht:

«Bevor unser „Man in Space“-Programm zu erfolgreich wird, wäre es klug, etwas Zeit, Talent und Geld in die Forschung mit den Delfinen zu investieren; sie sind nicht nur eine Spezies mit großem Gehirn, die ihr Leben in einem Zustand von abgeschwächter Schwerkraft lebt, sondern sie könnten eine Spezies sein, mit der wir grundlegende Techniken der Kommunikation mit wirklich fremden intelligenten Lebensformen lernen können. Ich persönlich hoffe, dass wir keinen solchen Außerirdischen begegnen, bevor wir besser vorbereitet sind, als wir es jetzt sind.» (Lilly 1958, S. 501)

Er fährt damit fort, dass (noch) viele Menschen dazu neigen, allen Fremden und Fremdsprachigen zu schnell böse Absichten zu unterstellen [Anm. im Englischen bedeutet «Alien» sowohl «Außerirdischer» als auch »Ausländer» (meist mit negativer Konnotation)]. Wir täten, laut Lilly, gut daran, unsere persönlichen Dramen, Feindseligkeiten und mangelnde Kommunikationsfähigkeiten abzulegen, bevor wir ernsthaft den Kontakt mit außerirdischem Leben suchen (ebd.).

3. Weltall, Aliens und Drogenkultur

Betrachtet man diesen Überblick, so verwundert es nicht, dass auch im Sprachgebrauch von drogengenießenden Subkulturen die Nähe zum Weltall hergestellt wird – ob dies bewusst geschieht, ist dabei ersteinmal irrelevant.

Logo der «Space Night» | Bayerischer Rundfunk (gemeinfrei)

Deutlich wird dies in Bezeichungen wie «spacey» (dt. etwa «ausgeflippt», «verträumt» oder «fremdartig») respektive «spaced out» (dt. etwa «träumerisch weggetreten sein») und abgespaced (jugendsprachlich etwa «(positiv) abgedreht». Besonders erwähnenswert an dieser Stelle ist ebenso die Bezeichnung „Space Cookie“ für eine THC-haltige Hanfzubereitung in Keksform.

Nicht selten fließen verschiedene Weltraumthemen in die Dekogestaltung von Psytrance-Parties ein (St John 2013). Insbesondere Darstellungen von sog. «Greys» oder Audio-Samples aus der Serie «Akte X» erfreuen sich in manchen Spielarten großer Beliebtheit.

Mit «Space Music» hat sich eine Ambient- und Downtempo-Genre entwickelt, dass sich großer Beliebtheit unter Psychonauten erfreut und sowohl in Chill-Out-Bereichen vieler Parties als auch im Pothead-Kultformat «Space Night» auf ARD-Alpha gerne gespielt wird.

Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle auch Hans Coustos Meisterwerk «Die kosmische Oktave: Der Weg zum universellen Einklang» (2004), in dem er auf der Basis von Rotations- und Umlaufzeiten der verschiedenen Planeten deren jeweilige Frequenz berechnet hat. Das Werk findet insbesondere im Bereich der New-Age-Musik rege Verwendung.

Abseits der elektronischen Tanzmusik haben sich eigens Genres gegründet, die sich dem Topos des Weltalls verschrieben haben. Zum bekanntesten Genre dürfte «Space Rock» zählen, zu dessen berühmteste Vertreter die frühen Pink Floyd mit ihren Alben «The Piper at the Gates of Dawn» und «Ummagumma» zählen dürften.

Synonym dazu wurde im Westdeutschland der 1970er Jahre der Begriff «Kosmische Musik» geprägt, das vor allem Krautrock und psychedelische Musik aus Deutschland bezeichnete. Die herausragenden Beispiele hierfür sind Tangerine Dreams «Alpha Centauri» und «Dream Sequence», aber auch «Seven Up» von Ash Ra Tempel – ein Album dass unter Zusammenarbeit mit Timothy Leary entstand, der sich zur Zeit der Aufnahmen auf der Flucht in der Schweiz befand und somit nicht nur Songtexte beisteuern, sondern auch bei den Aufnahmen anwesend sein konnte.

Alle Genres vereint dabei nicht nur die Liebe zum Thema, sondern meist auch eine Affinität zu psychotropen Substanzen.

4. Raumfahrt als mystische Erfahrung

Timothy Leary verkörpert die Verquickung von Psychonautik und Raumfahrt so sehr wie kaum ein anderer Protagonist der Szene. War er zu Beginn seiner Karriere noch hauptsächlich an LSD interessiert, so verschob sich sein (öffentliches) Interesse immer weiter in Richtung von Weltraumreisen.

In den Büchern «Exo-Psychologie» und «Neuropolitik» (verfasst mit Robert Anton Wilson) beschreibt Leary das SMI²LE-Konzept. Darin prophezeit er die kommende Entwicklung des Menschen in drei Stadien:

1.) Space Migration (SM); die Auswanderung des Menschen ins All, um neue Lebensgrundlagen zu erschließen. Dies führe 2.) zu u.a. zu einer natürlichen Intelligenzvermehrung (Intelligece Increase ()) und Bewusstseinserweiterung, die dem Menschen mehr Kontrolle über sich und seine ekstatisch-hedonistischen Fähigkeiten geben soll. Durch diese gesteigerten Fähigkeiten solle der Mensch 3.) in die Lage versetzt werden, sein Leben zu verlängern (Life Extension (LE)) und schließlich den Tod zu überwinden (vgl. auch: Wilson 2002, S. 199).

An anderer Stelle konstatiert Leary:

«Die Bedeutung des extraterrestrischen Fluges ist noch nicht vollständig verstanden. So wie landbewohnende Organismen schnell eine neurale und physiologische Ausrüstung für die neue Umgebung entwickeln, wird der Übergang zur Schwerelosigkeit und zur extraterrestrischen Strahlung genetische und neurologische Veränderungen auslösen, die für die Anpassung an das interstellare Leben notwendig sind.
Die Anzeichen von exo-psychologischer Anpassung können bei mehreren Mondveteranen festgestellt werden, die zurückkehrten und von kosmischen Einsichten (Mitchell), philosophischen Offenbarungen (Schweickart) und Wiedergeburtserfahrungen (Aldrin) berichteten.»
(Leary 1982, S. 218)

Leary spricht hier von einigen der bedeutendsten US-amerikanischen Raumfahrern: Edgar Mitchell; Apollo-14-Astronaut und sechster Mann auf dem Mond. Rusty Schweickart; Apollo-9-Astronaut und Gründer der Association of Space Explorers (die durch die Inspiration des Esalen-Institutes gegründet wurde und allen Astronauten und Kosmonauten offen steht), sowie Edwin «Buzz» Aldrin; Apollo-11-Astronaut und der zweite Mensch, der den Mond betrat.

Der Anblick der aufgehenden Erde, erweckte mystische Erfahrungen | Foto: NASA (public domain)

Alle genannten Personen eint, dass sie durch ihre Erfahrungen als Raumfahrer eine mystische Wandlung vollzogen oder tiefe philosophische Einsichten gewonnen haben. Diese spirituelle Transformation ausgelöst durch «die Sichtung der Erde von außerhalb» wird «Overview-Effekt» gennant.

Frank White beschreibt dieses Phänomen als eine Erfahrung, welche die menschliche Perspektive grundlegend verändert. Der Planet mit all seinen Lebewesen werde als ein einziger großer Organismus wahrgenommen. Nationale Politik und Rivalitäten spielten keine Rolle mehr. Die enorme Bedeutsamkeit von Umweltschutz wachse. Es bleibe ein Gefühl tiefer Ehrfurcht, dass die Raumfahrer kaum vermitteln konnten, da es sich den Begriffen aller menschlichen Sprachen entziehe (White 1991).

Das Selbstverständnis der noch heute existierenden «Association of Space Explorers» verweist ebenfalls auf diese Erfahrung:

«Wir setzen die einzigartige Perspektive unserer Astronauten-/Kosmonauten-Mitglieder ein, um den globalen Nutzen der Weltraumwissenschaft, der Erforschung und der internationalen Zusammenarbeit zu fördern; um zukünftige Generationen aufzuklären und zu inspirieren; und um einen besseren Umgang mit unserem Heimatplaneten zu fördern.»

5. Psychotrope (Alltags-)Drogen in der Raumfahrt

Obwohl die Raumfahrt, wie oben angemerkt, eine psychedelische Erfahrung katalysieren kann, bleibt dennoch die Frage, welche Substanzen sich die Besatzungen von Raumschiffen und der Internationalen Raumstation (ISS) nach Feierabend genehmigen können.

Klar ist, dass es auf der ISS permanent Trinkalkohol in herausragender Qualität vorhanden ist. Nur sind diese speziellen Vorräte für die Besatzung in der Regel tabu. Es handelt sich dabei nämlich um Produkte, die im Auftrag von Privatfirmen auf die Raumstation verbracht wurden, um diese wissenschaftlich zu erforschen.

So befindet sich derzeit eine Charge mit Rotwein auf der ISS, um den Einfluss von Mikrogravitation auf das chemische komplexe Getränk zu untersuchen. Im Jahr 2015 gab die japanische Destillerie «Santory» einige Proben Whisky mit auf die Reise ins Weltall, um ähnliche Forschungen durchzuführen. Die «Budweiser»-Brauerei will noch einen Schritt weitergehen und die erste Brauerei sein, die ihr Bier auf dem Mars anbietet – um den Brauvorgang außerhalb der Erde zu erforschen, ließen sie Experimente an Gerste unter schwerelosen Bedingungen durchführen.

Auf die Frage, ob auf der ISS Alkohol konsumiert wird, antwortet die Besatzung sowie die NASA gewohnt sehr zurückhaltend. Die offizielle Linie der NASA verbietet es den Astronauten, an Bord von Space Shuttles oder Raumstationen Alkohol zu konsumieren. Jegliche Art von Ethanol ist demnach verboten – sogar Desinfektionsmittel, da der darin enthaltene Alkhol als Gefahrenquelle für die empfindlichen Instrumente gesehen wird.

Doch die Prohibition hat nur selten Menschen davon abgehalten, den Umgang mit Genussmitteln zu pflegen. Chris Carberry berichtet in seinem Buch «Alcohol in Space: Past, Present and Future» (2019) davon, dass die Astronauten sich bereits in den 1960er Jahren streiche spielten, in dem sie ihren Kollegen vor der Abreise heimlich Alkohol ins Gepäck schmuggelten.

Deke Slayton, der den Mond mit Apollo 8 umrundete, hatte in seiner «Lunchbox» ein paar Fläschchen Brandy versteckt, welche die Astronauten jedoch laut eigener Aussage nicht während der Mission geöffnet hatten.

Die sowjetischen Kosmonauten hatten im Gegensatz zu ihren Astronautenkollegen offenbar weniger Restriktionen (obwohl sie offiziell auch einem Alkoholverbot unterlagen). Es ist ein offenes Geheimnis, dass nach alter kosmonautischer Tradition bei keiner Mission ein Tröpfchen Cognac fehlen darf.

So wurden Bücher ausgehölt, um darin Flaschen zu verstecken oder es wurde direkt Alkohol in Plastikverpackungen gefüllt und als Fruchtsaft umetikettiert. Einige sollen sogar so weit gegangen sein, dass sie vor dem Start der Mission eine strikte Diät hielten, um die Alkoholflaschen in ihrem Raumanzügen zu schmuggeln und die peinlich überwachte Gewichtsgrenze dabei nicht zu überschreiten (Chris Carberry 2019).

Da Kosmonauten und Astronauten auf der Internationalen Raumstation Seite an Seite auf engstem Raum zusammen arbeiten und leben, ist es selbstverständlich, dass die Spirituosen von beiden Seiten gerne gesehen sind und toleriert werden.

Im Gespräch mit Carberry bestätigt der Astronaut Clayton Anderson diese Annahme:

«Die NASA wird Ihnen sagen, dass es keinen Alkohol an Bord der ISS gibt (…) Als jemand, der fünf Monate dort gelebt hat, kann ich Ihnen sagen, dass das ein Blödsinn ist.»

Hauptsächlich trinken sich die Kosmonauten jedoch keinen waschechten Rausch an, sondern nutzen das gute Tröpfchen eher, um besser einschlafen zu können. Ihre amerikanischen und europäischen Kollegen nutzen dafür tendenziell liber die von der NASA genehmigten pharmazeutischen Schlafmittel.

Die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti trinkt Kaffee aus einer speziellen «Weltraumtasse» | Foto: Nasa (public domain)

Um dann jedoch aus den Federn zu kommen, brauchen auch einige der Weltraumbewohner eine Tasse Kaffee zum Frühstück, was sich aufgrund der Schwerelosigkeit als nicht unproblematisch erweist: Aufgrund der veränderten physikalischen Gegebenheiten, können keine herkömmlichen Trinkgefäße verwendet werden, da das Getränk aufgrund seiner Oberflächenspannung am Tassenrand festsitzen würde. Würde man es gewaltsam aus der Tasse schütteln, so würden schwerelose Kaffeeblasen durch die Station schweben und die Bordelektronik in Gefahr bringen.

Die Lösung, zumindest bei normalen Getränken, liegt in der Verwendung eines Strohhalmes. Eine Herangehensweise, die jedoch jede aufrichtige Kaffeegenießerin und jeden Astronauten mit Klasse nicht glücklich macht. Deshalb wurde eigens dafür eine Kaffeetasse entwickelt, aus der auch wie auf der Erde stilecht das muntermachende Getränk geschlürft werden kann.

Es versteht sich von selbst, dass auch Kaffeekonserven die Crew nicht zufriedenstellen, weshalb die italienische Raumfahrtagentur ASI in Zusammenarbeit mit Lavazza eine Espressomaschine entwickelte, die den Ansprüchen von echten Connoisseuren gerecht wird. Die «ISSpresso»-Maschine wurde 2015 an Bord der ISS gebracht.

6. Welche Substanzen stehen den ISS-Astronauten zur Verfügung?

Obwohl schon seit einiger Zeit bekannt ist, dass sich Samen und Zellkulturen von Cannabis sativa auf der ISS befinden, haben die Astronauten keinen Zugang zu berauschenden Hanfprodukten. Wie erwähnt, hat die NASA ein sehr restriktives (oder: unentspanntes) Verhältnis zum gepflegten Cannabisrausch. Alle Mitarbeiter, ob am Boden oder im Weltall, werden in unregelmäßigen Abständen zu Drogentests gezwungen. Eine Initiative die auf den «War On Drugs»-Verfechter Ronald Reagan zurückgeht.

Wer sich in der Raumstation berauschen will und dabei keinen Alkohol verwenden möchte, dem bleibt nur die Bordapotheke. Bereits zu Zeiten der Apollo-Missionen wurden die Raumfahrer mit einer recht üppigen Medikamentenausstattung versorgt. In den «Medical Kits» verbarg sich, neben den typischen Notfallmedikation und Antibiotika, so manche Substanz, die neben ihrer medizinischen Anwendung auch hedonistische Qualitäten aufweist.

So waren auf allen Apollo-Missionen Amphetamin-Tabletten (Dexedrine 5mg) verfügbar. Auf der Seite der dämpfenden Substanzen hatten die Astronauten zu jeder Zeit zwei Pethidin-Injektoren (Demerol injectors (90 mg)) verfügbar. Pethidin wurde 1937 erstmals hergestellt und ist das älteste vollsynthetische Opioid.

Die pharmazeutische Packliste der heutigen Astronauten hat sich wesentlich erweitert, wie ein 2016 freigegebenes Dokument der NASA offenlegt. Neben verschiedener essentieller (und im wesentlichen nicht verwunderlicher) Medikation, wie Antibiotika, Antihistaminika, Epinephrin und Pseudoephedrin finden sich weitere spannende Arzneimittel:

So können Einschlafprobleme mit Melatonin, Zaleplon und Zolpidem (auch als Ambien bekannt) behandelt werden. Letzteres ist einerseits interessant, da es ein benzodiazepinähnliches Wirkspektrum aufweist, andererseits kann es in einigen Fällen zu bizarren Nebenwirkungen wie extremem Schlafwandel führen.

Mit frei verfügbaren Modafinil-Tabletten (200 mg Provigil) haben die Astronauten eine beliebtes Nootropikum (umgangssprachlich auch «smart drug») zur Hand. Mit Vivarin-Tabletten (200 mg Coffein) kann müdigkeitsbedingter Leistungsabfall kurzfristig verhindert werden.

Lorazepam und Diazepam (Valium) gehören zur Gruppe der Benzodiazepine und werden aufgrund ihrer beruhigenden und angstlösenden Eigenschaften genutzt. Abseits vom klinischen Gebrauch gehört diese Gruppe zu den häufigsten im Freizeitgebrauch verwendeten Medikamenten.

Im Bereich der Antidepressiva stehen Sertralin und Venlafaxin zur Verfügung.

Als opioide Schmerzmittel finden sich Hydromorphon und das durch «Dr. House» bekannte Hydrocodon in der Bordapotheke. Beide Substanzen werden aufgrund ihrer sedierenden und euphorisierenden Eigenschaften gerne auch abseits der Schmerzbehandlung genutzt.

Die spannendste Substanz, die sich offiziell an Bord befindet, dürfte jedoch Ketamin sein (auf der Packliste unter der Handeslbezeichnung «Ketalar» aufgeführt). Der Arzneistoff wird im klinischen Bereich unter anderem zur Anästhesie und Analgesie verwendet, erfreut sich jedoch auch einer enormen Beliebtheit als Rauschdroge.

Pharmazeutisches Ketamin. Foto: Archiv MB

In der Literatur finden sich nur wenige Hinweise darauf, wie oft und welche der Medikamente verwendet wurden. In einer freiwilligen Befragung durch die Biochemikerin und Pharmakologin Virginia Wotring (2015) gaben die Astronauten an, hauptsächlich Schlafmittel (Wotring 2015, S. 4419) Antiallergika sowie Wachhaltemittel konsumiert zu haben (ebd.).

Ob diese Angaben vollständig der Realität entsprechen, kann nicht abschließend geklärt werden. Jedoch sei angemerkt, dass eine ehrliche Auskunft bei der bereits erwähnten Anti-Drogen-Haltung der NASA und der zugehörigen US-Regierungen fraglich erscheint.

Da die Bordapotheke in regelmäßigen Abständen ausgetauscht wird (weil Medikamente im niederen Orbit sehr viel schneller ihr Verfallsdatum erreichen) und dabei auch die noch vorhandenen Arzneimittel vernichtet werden, wäre es alles andere als unwahrscheinlich, dass sich die Besatzung dieser Vernichtung vorzeitig annehmen könnte, da sie damit keinen lebenswichtigen Vorrat minimieren würde.

Betrachtet man, wie einfach es offenbar sein muss, Alkohol an Bord der ISS zu schmuggeln, dann fällt es schwer zu glauben, dass dies nicht auch mit psychedelischen Substanzen passieren könnte. Selbst in Hochsicherheitsgefängnisse werden regelmäßig und erfolgreich Drogen geschmuggelt. Wenn ein Astronaut bspw. den Wunsch verspüren sollte, in Schwerelosigkeit LSD zu nehmen, dann kann dies sicherlich kaum von den Behörden unterbunden werden.

Ein weiterer Punkt betrifft die Geheimhaltung verschiedener Projekte von Militär und Nachrichtendiensten. Es ist bekannt, dass die Großmächte solche Projekte seit Beginn der Raumfahrt im Weltall durchführen. In der Regel betrifft dies jedoch eher Spionagesatelliten oder verschiedene Rüstungsanwendungen. Ob es jemals Weltraum-Drogenexperimente (vergleichbar zu MKULTRA) gab kann nur spekuliert werden.

Ob Raumfahrerinnen bereits Psychedelika im Weltall konsumierten oder nicht: Mit fortlaufender Dauer von Projekten wie der ISS, der Mond- und Marskolonisation wird die Thematik von Drogen im Weltall immer relevant bleiben.

Menschen die dauerhaft auf Weltraumkolonien leben, werden sich nicht wie von Zauberhand der absoluten Enthaltung verpflichten. Wo der Mensch lebt, da braucht er auch Entrückung, Ekstase oder schlicht kathartischen Rausch.

 

Literatur

  • Carberry, C. (2019): Alcohol in Space: Past, Present and Future. Jefferson, USA.
  • Cousto, H. (2004): Die kosmische Oktave: Der Weg zum universellen Einklang. N.-A Edition.
  • Dawson, K. A. (2001): A Case Study of Space-Time Distortion During a Total Lunar Eclipse Following Street Use of LSD. In: Journal of Psychoactive Drugs, 33. Jg., H. 3, S. 301–305.
  • Gelpke, R. (1999): Von Fahrten in den Weltraum der Seele: Berichte über Selbstversuche mit LSD und Psilocybin.
  • Grof, S. (1972): Varieties of transpersonal experiences: observations from lsd psychotherapy.
  • Hofmann, A. (1982): LSD – mein Sorgenkind.
  • Leary, T. (1981): Exo Psychologie. Handbuch für den Gebrauch des menschlichen Nervensystems gemäss den Anweisungen der Hersteller.
  • Leary, T. (1982): Changing my mind, among others : lifetime writings.
  • Leary, T. (1993): Neurologic: Zur Neuprogrammierung des eigenen Bio-Computers. Solothurn : Löhrbach.
  • Lilly, J. C. (1958): Some considerations regarding basic mechanisms of positive and negative types of motivations. In: American Journal of Psychiatry, 115. Jg., H. 6, S. 498–504.
  • Mckenna, T. (1991): The Archaic Revival: Speculations on Psychedelic Mushrooms, the Amazon, Virtual Reality, UFOs, Evolut: Speculations on Psychedelic Mushrooms, the … Shamanism, the Rebirth of the Goddess. San Francisco, Calif.
  • McKenna, D. (2012): The Brotherhood of the Screaming Abyss.
  • Mckenna, T. (1994): True Hallucinations: Being an Account of the Author’s Extraordinary Adventures in the Devil’s Paradis. Reprint. San Francisco.
  • St John, G. (2013): The Vibe of the Exiles: Aliens, Afropsychedelia and Psyculture. In: Dancecult, 5. Jg., H. 2, S. 56–87.
  • Stamets, P. (2005): Mycelium Running: How Mushrooms Can Help Save the World. Illustrated Edition. Berkeley.
  • Strassman, R. (2000): DMT: The Spirit Molecule: A Doctor’s Revolutionary Research into the Biology of Near-Death and Mystical Experiences. Original Edition. Rochester, Vt.
  • White, F. (1991): Der Overview Effekt. Die erste interdisziplinäre Auswertung von 20 Jahren Weltraumfahrt. Bern.
  • Wilson, R. A. (2002): Cosmic Trigger: Die letzten Geheimnisse der Illuminaten oder An den Grenzen des erweiterten Bewußtseins. 9. Reinbek bei Hamburg.
  • Wotring, V. E. (2015): Medication use by U.S. crewmembers on the International Space Station. In: FASEB journal: official publication of the Federation of American Societies for Experimental Biology, 29. Jg., H. 11, S. 4417–4423.

 

Dirk Netter