Safer Use – Ein Ratgeber zum risikoarmen Verhalten (III)

Artikel im Magazin

Die Zusammensetzung von Substanzen kennen

Eine risikoarme Haltung ist wichtig beim Konsum psychoaktiver Substanzen. Im ersten Teil dieser Reihe wurden die Ebenen einer risikoarmen Haltung in ihren Grundzügen vorgestellt (Bücheli 2015), im zweiten Teil ging es um das «Drug, Set und Setting»-Konzept, das um die Ebenen vor, während und nach dem Konsum erweitert wurde (Bücheli 2016). Nun liegt der Fokus auf der Ebene Drug: Kennt man die Zusammensetzung einer Substanz vor dem Konsum, hilft dies, unnötigen Risiken aus dem Weg zu gehen.
Substanzzusammensetzung Dieses Thema ist geprägt von vielen Mythen. Wer hat nicht schon von Strychnin im Kokain oder anderen potenziell tödlichen Streckmitteln gehört? Akut toxische Streckmittel tauchen allerdings nur sehr selten auf. Man sollte sich durch Mythen also nicht verunsichern lassen. Dennoch sind verlässliche Informationen zur Zusammensetzung einer Substanz äußerst wichtig. Denn bei psychoaktiven Substanzen handelt es sich (mit Ausnahme von Cannabis) immer um potenzielle Gifte. Die Dosis, also die eingenommene Wirkstoffmenge, ist entscheidend dafür, wie toxisch ein Substanzkonsum tatsächlich ist. Die Beimischung psychoaktiver Streckmittel stellt ein weiteres Risiko dar, wobei nicht alle Streckmittel das Risiko erhöhen. Häufig handelt es sich dabei um nicht psychoaktive Substanzen wie Milchzucker (Lactose), Dextrose oder Mannitol (Cole & al. 2010). Die Erfahrung zeigt, dass Streckmittel durchaus bewusst gewählt werden. Entweder verhalten sie sich chemisch ähnlich wie die zu streckende Substanz (wie Levamisol im Kokain) oder sie führen zu einer Wirkungsverstärkung (wie Koffein beim Amphetamin). Mit Ausnahme von Pflanzenmaterialien wie Cannabis handelt es sich bei psychoaktiven Substanzen immer um eine Mischung, die sich aus dem Wirkstoff, den Streckmitteln, der Trägersubstanz (und allenfalls noch Tablettierungsmitteln) zusammensetzt.
In den letzten Jahren beobachtete man in Europa eine generelle Zunahme des Wirkstoffgehalts. Vor allem bei XTC-Tabletten nahm der Anteil an MDMA pro Tablette zu. Eine ähnliche Tendenz ließ sich bei den in Drug-Checkings analysierten Amphetamin- und Kokainproben beobachten (Brunt et al. 2016). Ein höherer Wirkstoffgehalt bedeutet tendenziell höhere Reinheit und weniger Streckmittel. Doch auch hochdosierte Proben weisen immer wieder psychoaktive Streckmittel auf.
Der Wirkstoffgehalt lässt sich ebenso wie allenfalls enthaltene Streckmittel nicht sensorisch (anhand von Aussehen, Geruch und Geschmack) bestimmen. Durch das höhere Angebot an hochdosierten Produkten besteht daher zunehmend die Gefahr von unerwarteten Überdosierungen.
Substanzen analysieren Bei legalen Produkten wie Alkohol sind der Wirkstoffgehalt und die Zusammensetzung auf dem Produkt deklariert. Bei illegalen Substanzen fehlt diese Deklaration; deshalb kann man in Holland, einigen Regionen der Schweiz, in Spanien, Portugal, Frankreich, Belgien, Luxemburg und Österreich psychoaktive Substanzen im Rahmen von Drug-Checking-Angeboten analysieren lassen (Cousto 2015). Befindet sich ein Drug-Checking-Angebot in der Nähe, sollte man es nutzen.
Es ist sinnvoll, jede «Lieferung» vor dem Konsum analysieren zu lassen, damit man die Dosis individuell anpassen kann – an den Körper, das Geschlecht und die Erwartungen an die Nacht. Das Einsenden von Substanzen zur Analyse per Post ist nur bei Energycontrol in Spanien und Ecstasydata in Amerika möglich – mit dem Risiko, dass die Probe auf dem Weg zum Labor beschlagnahmt wird oder verlorengeht.
Zunehmend bekannt sind Test-Kits für den privaten Gebrauch, sogenannte Marquis-Tests oder «EZ-Tests». Diese Schnelltests sind billig (10 Tests kosten ca. CHF / EUR 20.–) und einfach in der Anwendung. Damit lassen sich aber nur eingeschränkte Aussagen zur tatsächlichen Zusammensetzung machen. Da diese Tests lediglich auf eine limitierte Anzahl Substanzen reagieren, benötigt man mehrere Reagenzien, und es kann sein, dass eine Substanz nicht entdeckt wird. Zudem sind nur mit viel Erfahrung Aussagen zur Reinheit /Dosis eines Produktes möglich. Dabei birgt gerade die unterschiedliche Reinheit oft ein größeres Risiko als die verwendeten Streckmittel.

Schnelltests helfen, die Substanzzusammensetzung in Erfahrung zu bringen, sind aber nicht in jedem Fall zuverlässig. Um Schnelltests besser interpretieren zu können, kann man die im Internet (z.B. auf dancesafe.org) verfügbaren Farbtafeln nutzen und sich über aktuelle Substanzwarnungen und Trends informieren. Die Substanzzusammensetzung unterliegt zwar gewissen Schwankungen; die Drug-Checking-Resultate der letzten Jahre zeigen jedoch, dass die Zahl der verwendeten Streckmittel relativ stabil bleibt.
Die Tabellen zeigen Informationen zum durchschnittlichen Wirkstoffgehalt, dessen Schwankungen (Range) und die am häufigsten auftauchenden psychoaktiven Streckmittel von Kokain, Ecstasy und Amphetamin, basierend auf den von der Zürcher Jugendberatung Streetwork laufend veröffentlichten Drug-Checking-Resultaten (saferparty.ch).
Wie erwähnt besteht nicht in allen Ländern oder Regionen die Möglichkeit zur Substanzanalyse. Glücklicherweise veröffentlichen Drug-Checking-Angebote wie Saferparty und Check-It Wien (checkyourdrugs.at) einen Teil ihrer Analyseresultate. Selbst gleiche XTC-Tabletten mit dem selben Logo können sich in Bezug auf den MDMA-Gehalt oder die enthaltenen psychoaktiven Streckmittel unterscheiden. Kann die Substanz nicht getestet werden und gibt es keine verlässlichen Erfahrungsberichte dazu, helfen folgende Ratschläge, sich beim Konsum möglichst risikoarm zu verhalten:

Mit eztest lassen sich Substanzen identifizieren. Foto: PD
  • Nie bei einer unbekannten Quelle kaufen! Ein privates Netzwerk ermöglicht Zugang zu vertrauenswürdigen Informationen und bietet zudem die Möglichkeit direkter Feedbacks.
  • Beim ersten Mal sollte man in jedem Fall eine kleinere Menge als üblich (z.B. eine halbe Tablette statt einer ganzen) konsumieren, da psychoaktive Substanzen unterschiedlich schnell wirken.
  • Mindestens zwei Stunden abwarten, bis man nachlegt; nicht in derselben Nacht nochmals nachlegen, da die Gefahr einer ungewollten Überdosierung besteht.
Quellen: Brunt, T. M., Nagy, C., Bücheli, A., Martin, D., Ugarte, M., Beduwef, C., Ventura, M. (2016): Drug Testing in Europe: Monitoring Results of the Trans European Drug Information (TEDI) Project. Wiley Online Library • Bücheli, A. (2015): Safer Use – ein Ratgeber zu risikoarmem Verhalten. Lucy’s Rausch, Nr. 2, Solothurn • Bücheli, A. (2016) Safer Use – ein Ratgeber zu risikoarmem Verhalten (II). Lucy’s Rausch, Nr. 3, Solothurn • Bücheli, A., Menzi. P. (2016): Tätigkeitsbericht Safer Nightlife Schweiz 2014/2015. Infodrog. Bern • Cole, C., Jones, L., McVeigh, J., Kicman, A., Syed, Q., Bellis, M. A. (2010): A Guide to Adulterants, Bulking agents and other Contaminants found in illicit drugs. John Moore University Liverpool • Cousto, H. (2015): Drug-Checking: von A wie Amsterdam bis Z wie Zürich. Lucy’s Rausch, Nr. 1, Solothurn

Alex Bücheli